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Plagiat oder Doppelschöpfung? Urheberrecht live erleben in der Staatsbibliothek zu Berlin

Endlich gibt es wieder einmal einen Grund die ehrwürdigen Hallen der Staatsbibliothek zu Berlin Unter den Linden zu betreten! Nein, es geht nicht um die alten und neuen Schinken, die dort lagern, sondern dort kann man, wenn man denn den Eintritt entrichtet hat, fortan das Recht des geistigen Eigentums nicht nur aus Büchern lernen, sondern auch ein urheberrechtlich umstrittenes Exponat in der Realität studieren.

Worum geht es?

Im Zuge der sicherlich dringend notwendigen Renovierungen, Umbauten und Neugestaltungen im Haus „Unter den Linden“ hatten die Verantwortlichen wohl gedacht, es wäre eine ausgezeichnete Idee, wenn doch die Augen der Besucher, die ja die meiste Zeit damit verbringen, karge Buchstabenwüsten zu durchkämmen, doch auch ein wenig Schmaus dargeboten bekämen. Was böte sich da anderes an, als bei hochverdienten Künstlern anzufragen, ob sie bereit wären, Kunst für die Bibliothek zu erschaffen?

Was geschah dann?

Nun, der Künstler Tobias Rehberger wurde beauftragt und er tat das, was Künstler nun einmal tun: Er schuf ein Werk. Was schuf er? Eine große schachbrettartige Installation! Nicht irgendein langweiliges Schachbrettmuster, sondern mit einem optischen Effekt, auf den von der Seite gegenüber Alexander v. Humboldt aus seinem Gemälde nun die nächsten Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte blicken darf.

(Bilder von der neugestalteten Staatsbibliothek samt Rara-Saal, in dem das betreffende Werk hängt, gibt es beispielsweise hier zu sehen. )

Ein Glück, daß die Staatsbibliothek nicht Hogwarts heißt und die Portraits kein Eigenleben haben, oder etwa doch?

„Das Monstrum muss da weg!“

Nein, weder v. Humboldt noch die Bibliotheksnutzer, die unweigerlich während des Lesens auch einmal den Kopf hoben und von Rehbergers Installation in den Bann gezogen wurden und möglicherweise ihre Konzentration verloren, forderten das, sondern diese drastische Formulierung stammt von einer amerikanischen Künstlerin namens Bridget Riley. Es war weniger ihr ästhetisches Gefühl, das sie verletzt sah, nein es war ihr Urheberrecht. Denn: Bereits vor knapp 50 Jahren hat sie ein fast identisches Werk geschaffen.

(Bridget Rileys Werk ist u.a. auf ihrem englischen Wikipedia-Eintrag zu bewundern.)

Rehberger habe von ihrem Bild aber nichts gewußt – zumindest soll er bzw. sein Anwalt es so vorgetragen haben. Rein zufällig muß er wohl ein beinahe identisches Werk geschaffen haben. Immerhin: Seins ist rechteckig, Rileys quadratisch. Ansonsten ziemlich ähnlich.

Es muß vor Gericht wohl zu einem Kompromiß gekommen sein. Ein Vermerk auf das vermeintliche Original soll angebracht und das bisher während des Rechtsstreits verhüllte Werk demnächst wieder enthüllt werden.

Meinung:

Sicher, das Urheberrecht der Künstlerin Riley könnte unter Umständen verletzt sein. Die entscheidende Frage – ganz ketzerhaft gestellt – aber ist : Wann ist die Grenze zur Banalität erreicht? Man muß nicht einmal sagen, daß Rileys Original die Schöpfungshöhe unterschreitet, aber man könnte sich ja einmal darüber Gedanken machen, wann in der Kunst ein Werk so einfachen Gestaltungsmitteln – hier: optischen Spielereien – unterliegt, daß es selbstverständlich auch zu völlig unabhängigen, jeweils eigenständig urheberrechtlich geschützten Doppelschöpfungen kommen kann. Ob man dem Herrn Rehberger, der ja immerhin an einer staatlichen Hochschule lehrt, an dieser Stelle aber seine Unschuld abkauft, steht wieder auf einem anderen Blatt. Ein bewußtes oder unbewußtes Plagiat ist hier meines Erachtens aber ebenso wahrscheinlich wie eine Doppelschöpfung ohne Kenntnis des zuerst geschaffenen Werkes.


Links

Berliner Zeitung vom 15.01.2014: Die große Karo-Frage.

Monopol – Magazin für Kunst und Leben vom 15.01.2014: Berliner Staatsbibliothek darf Rehberger-Bild wieder zeigen.