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Jazz aus den fünfziger Jahren: Populär wie nie?

Die allgegenwärtige Datenkrake gewährt uns Einblick in ihren Fundus: Mit einer Music Timeline bildet Google ab, welche Musik aus welcher Epoche (1950 bis zur Gegenwart) heute von Google-Play-Music-Nutzern gehört wird.

Dazu schreibt Google:

„The Music Timeline is based on album and artist statistics aggregated from Google Play Music — we define popularity by how many users have an artist or album in their music library.“

Nützlich oder erschreckend, was Google alles weiß? Mag Datensammlerei manchmal ein (zweifelhafter) Segen sein, so sollte man hinter Google, NSA und Co. sicher keine musikwissenschaftlichen Forschungsinstitute erwarten – aber das nur am Rande.

Was hat das mit Jazz zu tun?

Nocheinmal zurück zu Google:

„[…] the ‘jazz’ stripe is thick in the 1950s since many users’ libraries contain jazz albums released in the ’50s.“

Daß Jazz in der Zeitleiste die 1950er Jahre dominiert, ist offensichtlich. Aber was lässt sich daraus schließen?

Nun, das hängt natürlich von der Aussagekraft der Daten ab. Dazu noch ein letztes mal Google:

„To keep the visualization legible, the overview data is normalized by the total number of albums from that year — this way, you can see and understand the timeline across all the decades.“

Ob das ausreicht, weil beispielsweise nicht klar ist, ob die Nutzerstruktur in irgendeiner Weise repräsentativ ist, sei einmal dahingestellt. Eines kann man aber mit Sicherheit feststellen:

Wer heute Jazz hört und Google Play Music nutzt, der hört in der Regel Jazzaufnahmen aus den 1950er Jahren, und wer heute Musik aus den 1950er Jahren hört (und dazu Google Play Music) nutzt, hört in der Regel Jazz.

Warum ist Jazz aus den 1950er Jahren heute so populär?

Meiner Meinung nacht gibt es mindestens zwei Gründe dafür:

  • Professionalität: Es gab zu jener Zeit einfach sehr viele Musiker, die ihre Lehrzeit noch in den großen Big Bands durchliefen. Jeden Tag mehrere Stunden musikalische Praxis auf hohem Niveau vor zahlendem Publikum ist für die musikalische Entwicklung unbezahlbar. Die Musiker waren einfach sehr gut!
  • Technik: Die Aufnahmen hatten sich mit der Verwendung von Tonbändern entscheidend verbessert – man kann sie sich auch heute noch anhören, ohne daß es aus technischer Sicht wesentliche qualitative Mängel gäbe.

Der Freejazz der 1960er Jahre scheint heute wenig Anziehungskraft auszuüben. Rock-Musik löst in der Zeitleiste den Jazz ab. Daß das, was Google aber unter Jazz versteht, die kommerziell und kulturell dominierende Musikrichtung der 1950er Jahre war, ist allerdings zu bezweifeln. Vielmehr ist das ganze auch ein Beispiel dafür, wie musikgeschichtliche Vergangenheit immer durch den Blick aus der Gegenwart konstruiert wird.