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Ein nutzerorientiertes Urheberrecht? Von der individuellen Schöpfung zur kollektiven Kulturleistung.

Ein 20-seitiges Diskussionspapier zum Urheberrecht hat der Justizsenator der Stadt Hamburg Dr. Till Steffen veröffentlicht. Der Titel „Nutzerorientierte Ausrichtung des Urheberrechts“ ist selbsterklärend: die rechtlichen Beziehungen zwischen Urhebern und Werknutzern sollen überdacht werden.

Die Idee, den Werknutzer mit seinen Interessen durch eine Änderung der §§1 und 11 des UrhG prinzipiell gleichberechtigt neben den Urheber zu stellen, entspringt offensichtlich aus der im Text geäußerten Annahme, das individualistische Begründungsmodell des Urheberrechts sei überholt.1 Daher wird das Recht am geistigen Eigentum mit einer kollektiven Kulturleistung neu begründet. Es heißt dort:

„Der Urheber schafft sein Werk aber nicht losgelöst von seiner Umwelt, sondern ist eingebunden in seinen Kulturkreis und entfaltet sich auf der Grundlage des Kulturschaffens vorangegangener Generationen.”2

Der Interessenkonflikt zwischen Urhebern und Werknutzern wird demnach durch einen Wechsel der, stets ideologischen, Vorstellung des künstlerischen Schaffensprozess zugunsten der Werknutzer neugeregelt: Der Urheber schafft nach dieser Doktrin keine originär eigenen Werke mehr, sondern muß mehr denn je sein Recht am geistigen Eigentum mit der Allgemeinheit teilen. Wie sieht ein unter dem Primat der kollektiven Kulturleistung konsequent weitergedachtes Urheberrecht aus? Die Systematik des Gesetzestextes, die Gewährung und Beschränkung von Rechten, würde umgekehrt werden. Der Allgemeinheit stünden im Grundsatz die geistigen Eigentumsrechte zu; die Verwertungsrechte des Urhebers würden nur noch die Schranken der Rechte der Allgemeinheit bilden.

Letztendlich ist es eine gesellschaftliche Frage, ob und wie ein Staat ein Recht am geistigen Eigentum anerkennt. Der Verdacht liegt aber nahe, daß diese ideologische Neuausrichtung lediglich den sogenannten Nutzerinteressen im digitalen Zeitalter dienen soll. Eine zufriedenstellende Begründung, weshalb der sogenannte Kulturkreis und das Schaffen vorangegangener Generationen der gegenwärtigen Allgemeinheit zugerechnet und im Vergleich zum individuellen Schaffen des Urhebers höher bewertet werden soll, wird in dem Diskussionspapier nicht gegeben, denn der bloße Verweis auf die Sozialbindung des Eigentums kann für einen solchen Paradigmenwechsel im Urheberrecht nicht ausreichend sein.

1 vgl. http://www.hamburg.de/contentblob/2164816/data/2010-03-12-jb-urheberrecht-diskussionspapier.pdf, S.2

2 ebenda, S.2