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Der Fall Bushido: Ist eine ungenehmigte Bearbeitung ein Plagiat?

Nun ist es wieder in aller Munde, das Plagiat. Der schlimmste Vorwurf, der einem Kreativen, sei er Musiker, Schriftsteller oder bildender Künstler, gemacht werden kann. Seine eigenschöpferische Leistung wird in Frage gestellt, die Tantiemen fließen nicht mehr. Es setzt eine gesellschaftliche Ächtung des Urhebers ein. In dieser Lage befindet sich zur Zeit der Rapper Bushido.

Bushido, oder derjenige, der für das Arrangement seiner Stücke verantwortlich ist, soll Teile von Songs der Band Dark Sanctuary verwendet haben. Als konkretes Beispiel wird in der Presse „Janine” von Bushido herangezogen. Ähnlichkeiten mit der Komposition „Les Memoires Blessées” von Dark Sanctuary sind nicht von der Hand zu weisen. Aber was ist hier ähnlich? „Les Memoires Blessées” besteht in der Hauptsache aus einzelnen ostinato-ähnlichen Motiven, die nach und nach hinzugefügt werden und sich so zu einem Gesamtklang verdichten. Nach einer gewissen Zeit werden diese Motive nacheinander wieder herausgenommen, sie verklingen und das Stück endet mit Glockenschlägen im Gewitterregen.

Über diesem Klanggefüge liegen bei Bushido aber die Schlagzeug-Beats und der Sprechgesang. Die benutzte Vorlage wird zum musikalischen Hintergrund, eine Funktion, die der Komposition „Les Memoires Blessées” immanent ist. Im Vordergrund steht bei Bushido nun der Text. Bei einem vergleichbaren Fall im Bereich der Malerei könnte es sich hier um eine freie Benutzung im Sinne des §24 UrhG handeln. Lediglich eine restriktive Norm des Urheberrechtsgesetzes für den Bereich der Musik, der sogenannte starre Melodienschutz in §24 Abs. 2 UrhG, verhindert, daß diese Möglichkeit überhaupt in Betracht kommt. Bushidos Stück wird daher, soweit man mit ein wenig Interpretation die Argumentation des Gerichts den Presseberichten entnehmen kann, zu einer abhängigen Bearbeitung, deren Vervielfältigung, Veröffentlichung, Verbreitung und sonstige Verwertung im Sinne der §§15ff. UrhG nur mit Genehmigung der Rechteinhaber der Vorlage möglich ist. Unabhängig von einem möglichen immateriellen Schaden aus einer Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrecht, den das Gericht anscheinend auch angenommen hat, ist Bushido also zunächst der Vorwurf einer ungenehmigten Bearbeitung zu machen.

Ist eine solche ungenehmigte Bearbeitung ein Plagiat? Manfred Rehbinders Lehrwerk „Urheberrecht” zufolge schon, denn:

„Man versteht dar unter [sic!] unjuristisch jede Übernahme fremden Geistesgutes unter Anmaßung der Urheberschaft […]. Im engeren juristischen Sinne versteht man darunter nur die Übernahme von urheberrechtlich geschützten Werken oder Werkteilen, sei sie unverändert oder in einer Umarbeitung, deren Abstand vom Original nicht die freie Benutzung erreicht […].”1

Allerdings, und darauf weist auch Rehbinder hin2, findet sich der Begriff Plagiat nicht im Urheberrecht. Das Plagiat ist damit kein genuiner Rechtsbegriff. Als unjuristischer Begriff in der Öffentlichkeit wird das Plagiat mit der Ausnutzung fremder Leistung und mit dem Diebstahl geistigen Eigentums assoziiert. Die Möglichkeit einer zulässigen Benutzung wird dabei oft genug ausgeblendet und das Urheberrecht fälschlicherweise als eine schrankenlos gewährte Eigentumsposition angesehen.

Einen Komponisten, Songwriter oder Hip-Hop-Texter, der aus Unkenntnis der Spezialitäten des Musikrechts, ein fremdes Werk als Vorlage nimmt, an den Hürden der freien Benutzung scheitert und somit im rechtlichen Sinne lediglich eine Bearbeitung geschaffen hat, aus bloßer Antipathie als „Plagiator” zu bezeichnen, ist meines Erachtens, sofern von jenem vermeintlichen Nachahmer Anstrengungen unternommen worden sind, das Ausgangsmaterial tatsächlich für eine eigenschöpferische Leistung zu verwenden, nicht statthaft. Erst die Aneignung fremder Werke unter Anmaßung der eigenen Urheberschaft ohne eine eigenschöpferische Leistung ist meiner Meinung nach ein Plagiat, das den damit verbundenen negativen Konnotationen gerecht wird. So ist Bushido nach dem Stand der Dinge meines Erachtens ein Bearbeiter ohne Genehmigung. Weniger plakativ, dafür ohne Plagiat.

1 Manfred Rehbinder, Urheberrecht, München 2005. S.140, Rn. 385.

2 ebd.