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Copy.Right.Now? Das Vorwort und seine diskursive Funktion.

Ein Aufsatzsammlung mit dem Titel Copy.Right.Now! Pladoyers für ein zukunftstaugliches Urheberrecht hat die Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht. In verschiedenen kurzen Kommentaren und Analysen soll hier der Versuch gemacht werden, sich den darin enthaltenen Artikeln zu nähern.

Schon das Vorwort von Andreas Poltermann beginnt nahezu mit einer Schicksalsfrage:

„Wer die Eigentumsfrage stellt, stellt auch die Machtfrage. Entsprechend lautet die interessante Frage in der Wissensgesellschaft: Wem gehört das Wissen?“1

Es drängt sich hier auf, den Zusammenhang zwischen kulturellem Wissen und Urheberrecht genauer zu beleuchten. Der Schutzbereich des Urheberrechtsgesetzes wird in dessen §1 umrissen:

„Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes.“2

Eine Definition des Wissens, oder genauer vom Wissen einer Gesellschaft, die Poltermann leider nicht gibt, kann, analog zum Begriff der Kultur, je nach Standpunkt variieren. Allerdings ist davon auszugehen, daß das kulturelle und technologische Wissen, sofern diese beiden Bereiche überhaupt zu trennen sind, weit mehr umfaßt als die bloße Anzahl urheberrechtlich geschützter Werke; man kann auch sagen, die urheberrechtlich geschützten Werke stellen lediglich eine Teilmenge des Wissens einer Gesellschaft dar.

Poltermann beschreibt eine diskursive Funktion des Begriffs der Wissensgesellschaft innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft; innerhalb eines Diskurse um das Urheberrecht haben seine einleitenden Worte, insbesondere die Eigentumsfrage als Machtfrage, ebenfalls eine Funktion, nämlich zur Begründung einer Enteignung der Urheber mit dem Verweis auf das höhere Ziel, Wissen als öffentliches Gut der Allgemeinheit frei zur Verfügung zu stellen. Hierzu ist folgendes anzumerken: Daß bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder sogar ganze Staaten von der Teilhabe an der Wissensgesellschaft möglicherweise ausgeschlossen werden könnten, wird auf das Urheberrecht zurückgeführt, ohne dessen genauen Schutzbereich zu nennen. Sofern die Debatte das Urheberrecht, und nicht etwa das Patentrecht, betrifft, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß allein das UrhG den Zugang zum Wissen restriktieren würde. Vielmehr ist der Zugang der Öffentlichkeit zu einem Werk von der Art seiner Veröffentlichung abhängig: ein Buch kann im Handel erscheinen, Texte können vom Rechteinhaber für jedermann frei zugänglich ins Internet gestellt werden oder nur entgeltlich abrufbar sein. Aber letztendlich steht es dem Urheber frei, seine Werke gar nicht zu veröffentlichen. Ein nicht-veröffentlichtes Werk wird nicht Teil des Wissens einer Gesellschaft; es bleibt Privatsache des Autors und kann höchstens in seinen kulturellen Entstehungsbedingungen der Allgemeinheit zugerechnet werden. Mit dem durch den Urheber genehmigten Eintritt seines Werkes in die Sphäre der Öffentlichkeit entfaltet der im UrhG enthaltene Interessenausgleich zwischen dem Urheber und der Allgemeinheit seine Wirkung. Wenn ein Werk somit als ein Teil des kulturellen Wissens einer Gesellschaft angesehen werden kann, wird es zwar deshalb nicht urheberrechtlich frei, aber bestimmte Formen der Auseinandersetzung, z.B. in der Wissenschaft durch die Zulässigkeit von Zitaten gemäß §51 UrhG oder im künstlerischen Bereich mit der Möglichkeit der freien Benutzung nach §24 UrhG, kann der Urheber eines veröffentlichten Werkes nicht verhindern. Andererseits würde ein offeneres Urheberrecht, bzw. auch dessen Abschaffung, die Geheimhaltung von Wissen, z.B. von in Unternehmen eingesetzten Computerprogrammen, nicht verhindern können.

Aktuelle urheberrechtliche Problematiken anhand der grundsätzlicheren Frage eines “Eigentums am Wissen einer Gesellschaft” abzuhandeln, überschätzt die Zielsetzung und den Schutzbereich des Urheberrechts und verkennt darüberhinaus die bereits im Urheberrecht enthaltenen Bestimmungen der erlaubten Nutzung von geschützten Werken.

1 „Vorwort”, Andreas Poltermann, in: „Copy.Right.Now! Plädoyers für ein zukunftstaugliches Urheberrecht.” Hrsg. von der Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit iRights.info, S.7.

2 Zu jeder Ausführung über den Schutzbereich des UrhG ist obligatorisch anzumerken, daß gemäß §2 Abs. 2 UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen Werke im Sinne des Urheberrechts sind.