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Aktuelle Entwicklungen zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Urheberrecht

Es ist leider so, daß Gesetze — und vor allem ihre richterliche Auslegung — nicht immer allgemeinverständlich sind. So wird wohl nicht jeder der Argumentation des EuGH folgen wollen, daß ein Hotelier, der Fernseher oder Radios in seinen Hotelzimmern aufstellt, zu denen er ein Sendesignal übermittelt, sich von den Rechteinhabern eine öffentliche Wiedergabe genehmigen lassen muß. Auch wenn das Urteil im Kern der Sache richtig sein mag, passen die geläufigen Konnotationen zum Begriff Hotelzimmer mit einer nicht-juristischen Vorstellung von dem, was denn eine öffentlichen Wiedergabe alles sein kann, nicht zusammen — Hotelzimmer sind eben für gewöhnlich kein Raum für eine öffentliche Wiedergabe. Im juristischen Sprachgebrauch können sie es aber eben doch sein.

Gelegentlich kann aber auch der Einfluß eines allgemeinen Rechtsgefühls in die Rechtsprechung beobachtet werden. Konkret geht es um das zunehmende Bedürfnis, urheberrechtlich geschützte Werke unentgeltlich zu nutzen. Zeitgleich mit dem Hotelier-Urteil wurde nämlich auch ein Urteil über die Wiedergabe von Tonträgern in Zahnarztpraxen gefällt. Man lese die Worte des EuGH im zweiten Leitsatz der Rechtssache C‑135/10 und staune:

„Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 ist dahin auszulegen, dass er nicht die kostenlose Wiedergabe von Tonträgern in einer Zahnarztpraxis wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Rahmen der Ausübung eines freien Berufs für die Patienten, die unabhängig von ihrem Willen in den Genuss dieser Wiedergabe kommen, betrifft. Infolgedessen begründet eine solche Wiedergabe für die Tonträgerhersteller keinen Anspruch auf Vergütung.“

Es wäre auch nicht unerheblich, so das Gericht im selben Urteil mit Verweis auf bisherige Entscheidungen, ob eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 Erwerbszwecken dienen würde. Damit wird ein Paradigmenwechsel im Urheberrecht zumindest angedeutet: Nicht mehr allein die Frage, ob eine Wiedergabe öffentlich ist, soll berücksichtigt werden, sondern auch, ob eine Wiedergabe Erwerbszwecken dient. Da vom EuGH nun in verschiedenen Urteilen hierauf abgestellt worden ist, bleibt es spannend, ob nicht doch irgendwann ein tatsächliches Grundsatzurteil zur Definition der öffentlichen Wiedergabe ergeht.