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Zum 201. Geburtstag von Adolphe Sax: Von Patenten, Saxophonen und Saxhörnern

Ein Blick in die Geschichte des Saxophons zu werfen, lohnt sich für Spieler und Liebhaber dieses Instruments eigentlich fast immer – umso mehr, wenn es einen aktuellen Anlass dafür gibt, wie das Google Doodle zum 201. Geburtstag von Adolphe Sax. Daher nun –  obgleich ich ein wenig im vorangegangen Blog-Posting gelästert habe – mein Beitrag.

Der folgende Blog-Beitrag basiert auf einem Artikel für die Zeitschrift Sonic – Sax & Brass, den ich bereits im Jahr 2013 dort unter dem Titel „Rund um die Patente von Adolphe Sax“ veröffentlicht habe.

Vorab: Historisches zum Patentrecht

Zum Verständnis der Lebensgeschichte von Adolphe Sax darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Musikinstrumentenbauer früh im 19. Jahrhundert das Patentrecht für sich entdeckten. Das ist auch verständlich, denn, schaut man auf die Holz- und Blechblasinstrumente jener Zeit, so ist eine rasante Entwicklung nicht von der Hand zu weisen – Erfindungsreichtum gehörte also zum Grundhandwerk erfolgreicher Instrumentenbauer, und der konnte durch die Inanspruchnahme von Patenten geschützt werden. Daher soll hier kurz die Geschichte des Patentrechts in Erinnerung gerufen werden. Sie ist — für den kontinentaleuropäischen Raum – eng verwoben mit der Geschichte der französischen Revolution. Mit ihr wurden nicht nur staatsbürgerliche, sondern auch wirtschaftliche Freiheiten erkämpft. Eine davon war die Handels- und Gewerbefreiheit. Nicht mehr noch dem Mittelalter entsprungene Zünfte sollten regeln, wer wann und wo welches Handwerk ausüben durfte, sondern von da an war es im Grundsatz jedem erlaubt jedes Gewerbe zu betreiben. Mit der Gewerbefreiheit erwuchs aber gleichzeitig auch ein Bedürfnis nach einem stärkeren Schutz getätigter Investitionen, insbesondere nach Schutz vor Nachahmungen, sei es bei der literarischen oder musikalischen Urheberschaft oder eben auch im technisch-handwerklichen Bereich.

Und so kam es, dass im Jahr 1791 ein erstes französisches Patentrecht in Kraft trat. In den noch in Kleinstaaten zersplitterten deutschen Staaten dauerte es, bis erste Regelungen zum Patentwesen erlassen wurden. In Preußen geschah dies 1815 mit einem Publikandum zur Ermunterung und Belohnung des Kunstfleißes, in Bayern finden sich patentrechtliche Regelungen beispielsweise in der Gewerbeordnung von 1825. Erst im Jahr 1877, also gut 6 Jahre nach der Gründung des Deutschen Reichs, wurde nach langer Debatte ein erstes gesamtdeutsches Patentgesetz verabschiedet.

Adolphe Sax und eine Wette

Nun aber zurück zum Saxofon! In ihren Grundzügen ist die Entstehungsgeschichte des Saxophons schnell erzählt: Der Instrumentenbauer Adolphe Sax, der von Historikern – allen voran von Wally Horwood – als gewissermaßen genial beschrieben wird, dem aber auch eine gehörige Portion Selbstvertrauen bis hin zu einer gewissen Überheblichkeit zugeschrieben wird, hat das Saxophon erfunden. Sax hat also ein neues, bis dahin unbekanntes Instrument entwickelt. Aber es gibt natürlich noch weitaus mehr zu berichten rund um das Saxofon, Adolphe Sax und das Patentwesen.

Zwischen dem Zeitpunkt der Erfindung des Saxophons – vermutlich irgendwann um 1840 – und der Patentanmeldung in Frankreich am 21. März 1846 lagen ja immerhin einige Jahre. Dafür muss es wohl verschiedene Gründe gegeben haben. Unter anderem sollen Streitigkeiten mit den anderen französischen Instrumentenbauern, die anzweifelten, dass das Saxophon neu im Sinne des Patentrechts war, Sax dazu gebracht haben, seinen Konkurrenten 1 Jahr Zeit zu geben, um ein ähnliches Instrument zu schaffen, ehe er ein Patent anmelden würde.

Dieser Wette, wenn man es so nennen mag, lag ein wesentliches Element des Patentwesens zugrunde, das auch heute noch Gültigkeit hat: Die beanspruchte Erfindung – hier das Musikinstrument – musste neu, vor der Patentanmeldung also unbekannt sein. Das Neue lag darin, dass, nicht zum ersten Mal, aber wohl zum ersten Mal mit bleibendem Erfolg, eine konische (kegelförmige – genauer: damals sogar eine parabolische) Schallröhre mit einem Einfachrohrblattmundstück gekoppelt wurde, und die dabei auftretenden Intonations- und Konstruktionsschwierigkeiten halbwegs gelöst werden konnten. Zum Vergleich: Die Klarinette besteht aus einem Einfachrohrblattmundstück mit einer zylindrischen Schallröhre und weist dadurch die Besonderheit auf, dass sie in die Duodezime überbläst. Was genau Sax zu seiner Erfindung inspirierte, ist nie genau geklärt worden, aber zwei Möglichkeiten werden immer wieder erwähnt: Zum einen wird angenommen, dass Sax aus seinen Erfahrungen aus der Entwicklung seiner Baßklarinette schöpfte. Zum anderen liegt es nahe, dass Sax in der Werkstatt seines Vaters einfach das Mundstück einer Ophikleide – ein konisch gebohrtes Blechblasinstrument mit Klappen – mit einem Klarinettenmundstück austauschte und so zur Idee des Saxofons fand. Dass die Kombination von Schallröhre und Mundstück technische Probleme hinsichtlich der Tonlochanordnung und Klappenmechanik aufwirft, zeigt sich darin, dass Sax die oben erwähnte Wette problemlos gewann. Keiner seiner Konkurrenten legte ein vergleichbares Instrument innerhalb eines Jahres vor.

Daher kann man auch aus heutiger Sicht sicherlich der Meinung sein, dass das Saxophon damals eine patentwürdige Erfindung war. Mit der Patentanmeldung kam das zweite wichtige Prinzip des Patentsystems zum Tragen: Adolphe Sax musste eine Beschreibung seiner Erfindung einreichen, ihre Funktionsweise also für die Allgemeinheit und die Nachwelt offenlegen.

Streit mit Wilhelm Wieprecht

Der Streit um den Instrumentenbauer Sax entbrannte aber nicht nur um seine Saxofone, nein, auch andere nach ihm benannte Instrumente waren Gegenstand unzähliger Streitigkeiten darüber, ob sie eine Erfindung darstellen: Nämlich die Saxhörner, chromatische Ventilblechblasinstrumente mit konischer Bohrung und nach oben gerichtetem Schallbecher.

Über die Neuheit der Saxhörner wurde auch in Preußen gestritten. An dieser Stelle kann nicht unerwähnt bleiben, dass in Preußen zwar ein Patentrecht existierte, die tatsächliche Erteilung von Patenten aber höchst restriktiv behandelt wurde. Beispielsweise wurden 1815 lediglich 9 (oder 8, ganz eindeutig ist die Datenlage nicht), im Jahr 1833 nur 34 Patente erteilt.

So kam es, dass 1845 Wilhelm Wieprecht, der ein paar Jahre zuvor zum Director der gesammten Musikchöre des Garde-Corps an die Spitze der preußischen Militärmusik befördert worden war, aus der Zeitung von den Sax’schen Instrumenten erfuhr. Wohl einigermaßen empört griff er zur Feder, und verfasste eine Gegendarstellung zur – seiner Meinung nach nur angeblichen – Neuheit der Saxhörner, in der er Sax eine besondere Einbildungskraft attestiert, „zu glauben, etwas erfunden zu haben, was schon seit 25 Jahren kein Geheimnis mehr ist.“

Warum aber schrieb Wieprecht überhaupt so engagiert gegen Adolphe Sax und dessen Instrumente an? Zunächst ist es so, dass Wieprecht selbst einige preußische Patente hielt. Zwar wurden auch einige seiner Patentanmeldungen abschlägig beschieden, aber beispielsweise 1835 bekam er gemeinsam mit dem Instrumentenbauer Moritz ein Patent für eine fünfventilige Baßtuba. Wieprecht konnte es also sowohl um die Verteidigung seiner eigenen Patentansprüche gehen, als auch generell um die Feststellung, dass die „Erfindung der chromatischen Blech-Instrumente [...] zwei deutschen Künstlern“ gehören soll, nämlich Heinrich Stölzel und Friedrich Blühmel. Die Verteidigung nationaler – neben seinen höchstpersönlichen – Interessen könnte für Wieprecht in seiner Funktion als einer der höchsten und bedeutendsten Vertreter der preußischen Militärmusik ein wichtiger Punkt gewesen sein. Er führt auch an, dass Sax, während eines Aufenthalts „in Berlin von dem Hofinstrumentenmacher Moriz eine Basstuba und Cornette“ gekauft haben soll, und stellt damit mehr oder wenig direkt den Vorwurf dfes Plagiats in den Raum.

Knapp drei Monate später wird in der Berliner Musikalischen Zeitung „In Sachen Wieprecht contra Sax“ mitgeteilt, dass Wieprecht und Sax zusammengetroffen sein sollen, und dass – wenn man der dort abgedruckten Darstellung Glauben schenken kann – Sax einräumen musste, „dass seine Blechinstrumente bis auf einige unwesentliche aeussere Biegungen weiter nichts als Nachahmungen der von W. construierten, beim preussischen Militaire schon seit langen Jahren eingeführten Instrumente seien.“ Nichtsdestotrotz erhielt Sax 1845 in Frankreich ein Patent für seine Saxhörner.

Fazit

Wollte man abschließend einen Vergleich zwischen den Saxofonen und den Saxhörnern ziehen, so kann man die Saxophone als echte, eigenständige Erfindung von Adolphe Sax bezeichnen, die Saxhörner in der Hauptsache als eine Verbesserung bestehender Instrumente – was den Erfindergeist Sax’ keineswegs schmälern soll! Die angesprochenen Patente sind aber alle längst im 19. Jahrhundert abgelaufen, das Saxophon heute ein etabliertes Instrument und der Begriff Saxhorn aus dem deutschen Sprachgebrauch weitgehend verschwunden. Um die Frage, ob eine zum Patent angemeldete Erfindung tatsächlich neu ist, wurde aber damals wie heute lebhaft gestritten.